Klassentreffen: 70 Jahre Abitur
Schulfreundinnen machten ihre Reifeprüfung Ostern 1934
Als Hitler an die Macht kam, bereiteten sie sich gerade auf ihr Abitur vor. 70 Jahre später trafen sich fünf Klassenkameradinnen nun wieder und belebten Erinnerungen mit Original-Klausurbögen, Anekdoten und alten Fotos.
Über historischen Fotos steckten sie am Samstag (17.04.04) ihre ergrauten Köpfe zusammen. 70 Jahre vorher - im Jahr 1934 - brüteten sie gemeinsam über ihren Mathe- und Deutschklausuren. Für das mündliche Abitur waren am "Goethe-Oberlyzeum Dortmund" zwei Tage angesetzt. "Da wurden wir aufgerufen, zwei kamen immer rein, einer konnte sich vorbereiten, der andere war dran. Und dann wurden wir von der Klasse unter uns mit Obstsalat und solchem Kram versorgt," erinnert sich Emmi Strotmann.
Deutsch-Klausur anno 1934
"Als ich reinkam, habe ich schrecklich geheult, das weiß ich noch," lacht Frieda Reineking. Jetzt blättert sie mit faltigen Händen neugierig in ihrer Deutsch-Klausur anno 1934 – zum ersten Mal. Die heutige stellvertretende Schulleiterin des Goethe-Gymnasiums hat die Bögen aus den Tiefen des Schularchivs geholt und zusammen mit einem Blumenstrauß überreicht. "Ich bin entsetzt, wie schlecht ich war," grinst die 89-Jährige, "aber ich habe bestanden."
Kein Schabernack zum letzten Schultag
Anstelle der Abi-Streiche gab es eine kleines Fest im Zeichensaal. "Da haben wir mit Bowle gefeiert. Unter uns! Nicht mit Jünglingen und ohne Lehrer", erläutert Emmi Strotmann ein ausgeblichenes Foto. Danach haben sich die Frauen 25 Jahre lang kaum gesehen - zwischen Beruf, Kindern und Krieg – bis zum ersten Klassentreffen 1959.
Die meisten hatten ursprünglich studieren wollen, doch die Nazis sahen die Schulabgängerinnen lieber zwischen Küche und Kindern. "Für die Uni brauchten wir eine Hochschulberechtigung, die bekamen nur zwei von uns. Und dann war noch ein halbes Jahr Arbeitsdienst zwingend," berichtet Hermtrud Schönfelder.
Biologie hieß 'Rassekunde'
Anfang der 30er Jahre wurde der Einfluss der Nazis immer spürbarer, nicht nur in den Unterrichtsinhalten. "Da musste man schon etwas vorsichtig sein mit allem. Da wurde geguckt, welcher Lehrer ist in der SA oder ist beigetreten oder so was," erzählt Lotte Knudsen. "Da sind wir gerade dran vorbeigekommen. Wir hätten vielleicht noch Überraschungen erlebt, in dem Kollegium: Wer schwenkte nach links und wer schwenkte nach rechts?" Wie es ihren drei jüdischen Mitschülerinnen ergangen ist, wissen sie vom Hörensagen: "Zwei sind vor dem Abi abgegangen und verschollen bzw. über Nacht mit ihrer Familie nach Argentinien gegangen. Und Ilse starb in der Gaskammer," sagt Hermtrud Schönfelder.
Schulgeld und Schülermützen
Der Schulleiter galt als streng. Morgens wartete er an der Tür und schloss sie pünktlich auf - und wieder zu. "Wer zu spät kam, stand draußen und kam erst wieder rein, als die Lehrer in der Klasse waren, also fiel man auf", plaudert Irene Corzilius, die das Treffen organisiert hat.
Einiges hat sich geändert seit das Goethe-Gymnasium Dortmund eine "Höhere Töchterschule" war. Die Aufnahmeprüfung und das teure Schulgeld fielen weg. Genau wie die Schülermützen mit farbigen Bändchen, an denen man erkennen konnte, ob es mit der Versetzung geklappt hatte.